Die Wanderer zwischen den Football-Welten - Hungarian Enthroners

Im Zuge der weiteren Expansion der European League of Football (ELF) wird zur kommenden Saison ein Team aus Ungarn aufgenommen. Die Hungarian Enthroners aus Szekesfehervar sind ein 2007 gegründetes Team, das seit 2018 sowohl in der ungarischen Liga als auch parallel in der österreichischen Football-Liga aktiv ist. Und beide Aufgaben meistern die Ungarn sehr erfolgreich.

Die Geschichte der Franchise

Zwar ist das Jahr 2007 das Gründungsjahr der Fehervar Enthroners, die als Hungarian Enthroners in die ELF aufgenommen werden. Allerdings fristete der Club die ersten Jahre seiner Existenz ein eher trostloses Dasein in den unteren ungarischen Ligen. Erst 2016 begann der steile Aufstieg, der mit dem ungarischen Meistertitel im Jahr 2019 seinen vorläufigen Höhepunkt fand: 2020 wurde wegen der Coronapandemie nicht gespielt, 2021 verloren die Enthroners das Finale, nachdem sie die Regular Season souverän gewonnen hatten.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Franchise nicht nur in einem Land aktiv ist. Seit 2018 spielen die Ungarn auch im österreichischen Football eine sehr gute Rolle und stiegen bisher in jeder Saison auf; derzeit sind sie in die zweite Liga eingestuft.

Hungarian Enthroners
Hungarian Enthroners

Szekesfehr…was? Die Stadt Szekesfehervar

Wenn ein neues Team in eine europäische Top-Liga einsteigt, erwartet man, dass es aus einer wirklichen Großstadt kommt. In Ungarn führt in dieser Hinsicht kein Weg an der Hauptstadt vorbei. Aber die Hungarian Enthroners kommen eben nicht aus Budapest, sondern aus dem 60 km entfernten, knapp 100.000 Einwohner zählenden Städtchen am Velencer See. Fehervar, wie die Stadt gerne verkürzt genannt wird, liegt etwa auf halbem Weg zwischen Budapest und dem Plattensee und ist deshalb ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.

Leider hat die einstige Wirtschaftsmetropole Mitteltransdanubiens in den letzten Jahren einen steilen Abschwung erlebt. Der Wegzug des IT-Riesen IBM hat der Region einen wirtschaftlich schweren Schlag versetzt, den der Nachnutzer des Geländes, ein Kfz-Hersteller, nicht annähernd abfedern kann.

Historisch ist Fehervar dessen ungeachtet als ehemalige Hauptstadt natürlich ein wichtiger Ort. Er war früher einer der Krönungsorte der ungarischen Könige und beherbergt die Grabstätte des Hl.Stephan, der hier residierte. Touristen können sich in der Altstadt an der gut erhaltenen und liebevoll restaurierten barocken Bausubstanz erfreuen.

Die Spielstätte

Seit 2016 verfügen die Enthroners über ein eigenes, modernes Stadion. Das „First Field Stadium“ verfügt über ein ganz normales Standard-120 Yard Spielfeld und ist eigentlich nicht besonders spektakulär. Seine Sonderstellung in Ungarn bezieht es allerdings daraus, dass es das erste reine Footballstadion in Ungarn ist. Und alleine das dürfte für viele Football-Enthusiasten im Land der Magyaren schon ein Grund sein, die europäischen Heimspiele der Enthroners zu besuchen.

Ob die offene Arena aber dann auch wirklich genug Stimmung bringen kann, wird sich zeigen müssen. Allzu viele Zuschauer passen jedenfalls nicht hinein.

Die erste echte Feuerprobe hat das 2016 eröffnete Stadion aber auf jeden Fall bestanden: 2020 wurde die College-Weltmeisterschaft im First Field ausgetragen, alle Betetiligten waren voll des Lobes über das Stadion und die Rahmenbedingungen.

Was das Stadion und die Infrastruktur angeht, sind die Enthroners auf das Abenteuer ELF also bestens vorbereitet. Das im Stadioninneren integrierte Fitnessstudio ist eine Maßanfertigung, und durch den Kunstrasenbelag im First Field kann auch im Winter trainiert werden. Die Zeiten, wo man bei schlechtem Wetter entweder auf das Training mit dem Ball völlig verzichten oder in Hallen mit suboptimalen Bedingungen ausweichen musste, dürften endgültig der Vergangenheit angehören.

Die sportlichen Hauptdarsteller

Wie in jedem anderen Team auch liegt der Fokus der Öffentlichkeit zumächst auf dem Head Coach. Und der ist bei den Enthroners zwar durchaus beliebt, seine sportlichen Erfolge der Vergangenheit sind aber doch eher übersichtlich.

Der in San Diego, Kalifornien, geborene Jamie Hill heuerte im letzten Jahr in Fehervar an, er wechselte aus Brasiliens erster Liga nach Ungarn. Hier trat er seine erste Stelle in Europa an, mit der Teilnahme am Hungarian Bowl fiel die Bilanz durchwachsen aus: Nachdem das Team alle Spiele der Regular Season gewonnen hatte, war der Meistertitel schlichtweg erwartet worden, die Niederlage gegen die Budapest Wolves war eine bittere Pille.

Für die sportlichen Höhepunkte sollen aber natürlich andere sorgen, die zum Teil schon jetzt zu den Leistungsträgern der Enthroners zählen. Zuerst muss da der Name Chris Merchant genannt werden. Der kanadiche Quarterback ist Rückgrat und Seele des Spiels zugleich. William Vancompernolle soll seine Zuspiele zu Touchdowns verwerten. Für die Fieldgoals hoffen die Ungarn darauf, dass Peter Szöke weiterhin seine Treffsicherheit behält. Und in der Defense? Hier gilt es, dass Janos Klein und seine Kollegen möglichst viele der gegnerischen Angriffe bereits im Keim ersticken. Bisher können sich die Enthroners in aller Regel blind auf ihre Abwehr verlassen. Aber wenn es im nächsten Jahr nicht mehr gegen die Danube Dragons II oder die Györ Sharks geht, sondern gegen die Frankfurt Galaxy oder Rhein Fire, wird sich zeigen, ob der Kader wirklich die erhoffte Qualität besitzt, um in der besten Liga Europas zu bestehen. Die Enthroners werden noch das eine oder andere Ass aus dem Ärmel ziehen müssen. Woher das Geld dafür kömmen soll, ist allerdings fraglich; der Großteil der Sponsoren sind regionale und lokale Betriebe mit einer geringen Reichweite und entsprechend vergleichsweise wenig Finanzkraft.

Die Prognose

Der Kader der Enthroners ist aktuell vermutlich der schwächste Kader der gesamten ELF. Natürlich wird man personell in Szekesfehervar nochmal versuchen, personell nachzulegen, aber das werden die anderen Teams auch.

Ein ganz besonders großes Risiko stellt die Dreifachbelastung durch Football in Österreich, in Ungarn und in der ELF dar. Für dieses Mammutprogramm an Spielen braucht man einen riesigen Kader; und wenn das Geld nicht eben im Überfluss vorhanden ist, muss man an der Qualität sparen um die Quantität zu erhöhen.

Dass der Kader nicht eben vor überragender Qualität zu strotzen scheint, muss allerdings keineswegs bedeuten, dass die Enthroners völlig chancenlos schon den letzten Platz fest für sich buchen müssen. Auch in den vergangenen Jahren galten sie nur selten als Favorit auf große Erfolge, nichtsdestotrotz konnten sie immer wieder zeigen, dass sie auch ohne die ganz großen Namen unter den Spielern und den Coaches eine schlagkräftige Truppe aufs Feld schicken können. Durch mannschaftliche Geschlossenheit werden etwaige spielerische Defizite ausgeglichen, die Mannschaft wirkt wie eine verschworene Gemeinschaft. Und dieses Geschlossenheit kann auch in der ELF zum Trumpf werden. Und wer weiß, vielleicht können die Enthroners auch dem einen oder anderen der Favoriten ein Bein stellen und sich selber krönen; die Übersetzung ihres Clubnamens ist ja fast schon Verpflichtung. Und auch, wenn die Chancen nicht gerade riesig sind, wird man ja mal träumen dürfen am Ufer des Velencer Sees.

Flutlichtmasten im Enthroners Stadion
Flutlichtmasten im Enthroners Stadion
Foto: Enthroners Facebook