Im Frühling 2009 kam es dann zur Neugründung. Einige der ehemaligen Seamen hatten sich zusammengetan und gründeten in Mailand eine Flag-Footballmannschaft. Als sich die Milano Falcons Ende des Jahres 2009 auflösten, heuerten einige der nun vertragslosen Spieler beim neuen, alten Team an. Der Rest ist eine wunderbare Eerfolgsgeschichte der Seemänner aus Mailand: 2011 stiegen sie in die erste Liga auf, 2014, 2015, 2017, 2018 und 2019 gewannen sie den Super Bowl. Nach der Finalniederlage 2021 dominieren sie aktuell die italienische Liga und sind souveräner Tabellenführer.
Warum die ELF plötzlich auch Italiener aufnehmen darf
Als die ELF 2021 in ihre erste Saison startete, verweigerte sich der italienische Verband, die FIAF, der neuen Liga total. Teilnehmenden Mannschaften und Spielern wurde mit harten Sanktionen von Ligaausschluss bis zur Verbannung aus der Nationalmannschaft gedroht. Ein Gebaren, das Wirkung zeigte – zunächst schloss sich kein italienisches Team der Liga an. Das Hauptargument, das auch in der breiten Öffentlichkeit auf dem Appenin vorherrschte: fehlende Finanzen. Eine halbprofessionelle Liga sei nicht finanzierbar, ein Team in der finanzintensiven Europaliga damit nicht sinnvoll und einem Land, das sehr schwer von der Wirtschsftskrise als Folge der Pandemie getroffen ist, in der Bevölkerung nicht vermittelbar.
Jetzt gab es aber einen Sinneswandel, der durchaus überrascht. Schon zur laufenden Spielzeit übernehmen einige italienische Schiedsrichter Spielleitungen in der ELF, und zur nächsten Saison kommen nun auch die Seamen dazu. Wie kam es zu diesem Paradigmenwechsel?
Es gibt dabei zwei Schlüsselfiguren, die jeweils über ihren eigenen Schatten springen und aufeinander zugehen mussten. Auf der einen Seite der ehemaklige deutsche Spitzenfootballer Patrick Esume, der heute der Commissioner der ELF ist. Und auf der anderen Seite Fabio Tortosa, der Vizepräsident des italienischen Verbandes. Beide Protagonisten trafen sich, begruben das Kriegsbeil und einigten sich auf eine dauerhafte Kooperation. Und obwohl die Gesprächsdetails nicht öffentlich gemacht wurden, darf man davon ausgehen, dass nicht alleine der Charme und die freundliche Art von Patrick Esume gewisse Türen beim italienischen Verband geöffnet haben. Da plötzlich die Bedenken bezüglich der Finanzen ausgeräumt sind, darf man von einigen Zugeständnissen der ELF ausgehen, um die FIAF auf ihre Seite zu bekommen.
Zur Person von Patrick Esume: der 48jährige ist ein echter Tausendsassa in den Bereichen Sport und Entertainment. Nachdem er sehr erfolgreiche Jahre als Spieler der Hamburg Silver Eagles, Hamburg Wild Huskies und Hamburg Sea Gulls arbeitete Esume, der liebevoll den Beinamen „Coach“ trägt, als Trainer, sowohl in Europa als auch in den USA. Und auch in anderen Sportarten probierte sich der gebürtige Hamburger aus: Fußball (Hospitation beim HSV) und Boxen (Athletik-Trainer von Ruslan Chagayev und Maria Lindberg) waren die Stationen, in denen Esume sein Portfolio erweiterte. Aber auch außerhalb des Sports ist „Coach“ erfolgreich. In mehreren TV-Formaten konnte er sein Talent als Moderator unter Beweis stellen.
Das Stadion
Die Milano Seamen werden ihre Heimspiele höcjstwahrscheinlich im Velodromo Maspes-Vigorelli austragen. Das 7500 Zuschauer fassende Stadion hat ein Spielfeld aus Kunstrasen und könnte dadurch zu einem echten Pluspunkt für die Mailänder werden. Es bleibt aber zu befürchten, dass die Stimmung sehr dürftig bleibt. American Football hat in Italien kaum eine Fanbase, den letzten Super Bowl besuchten gerade einmal 600 Menschen. Sicherlich ist das auch der Pandemie geschuldet, aber auch im Ligaalltag bleibt der Zuschauerzuspruch sehr dürftig.
Um ein größeres Publikum anzusprechen, planen die Seamen ein buntes und spektakuläres Rahmenprogramm. Als zentrales Event werden zu den Heimspielen Power Parties veranstaltet; wie genau diese ausgestaltet werden, wird sich mit der Zeit zeigen.
Die sportliche Führung
Das ist eine der großen Unbekannten. Gehen dioe Mailänder mit dem Österreicher Stefan Pokorny in die neue Saison? Oder doch mit dem Italiener Paolo Mutti? Bisher lassen sich die Teammacher da noch nicht in die Karten schauen, aber eine teure, externe Personalie dürfte sich aus Gründen der finanziellen Räson verbieten. So oder so wird das Team aus der Lombardei so einige sehr kreative Gedanken in die Tat umsetzen müssen, wenn der Erfolg ein dauerhafter Begleiter sein soll.
Der Kader und die sportliche Perspektive
Der bisherige Kader bietet schon eine recht hohe Qualität, nicht umsonst ist die italienisvhe Liga fest in der Hand der Seamen. Und es ist davon auszugehen, dass der Großteil der Spieler auch das Abenteuer in der ELF mitgehen wird. Sicherlich wird es einige Plätze im Kader geben, die frei werden. Aber da kann man in Mailand vom Standortvorteil profitieren. Mit den Rhinos gibt es ein weiteres starkes Team in der Stadt, und auch Turin oder Parma, wo der amtierende Meister spielt, sind keine 150 km entfernt. Ambitionierte und talentierte Spieler werden also verhältnismäßig einfach zu ködern sein.
Insgesamt darf man den Seamen eine gute Rolle in der ELF zutrauen, auch wenn es vorerst nicht zum ganz großen Wurf reichen wird. Der Kunstrasenplatz ist ein Vorteil, die nicht-öffentlichen Vereinbarungen mit der ELF geben der Franchise offenbar einen gewissen Spielraum. Nun liegt es an den sportlichen Machern, ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen, um zu beweisen, dass die Milano Seamen mehr sind als nur ein Lückenfüller, um die europäische Topliga künstlich aufzublähen.