Beitragsautor: Holger Weishaupt 

Ein Lösungsvorschlag zur Dual Passport Regelung im American Football

US-American Football Spieler
US-American Football Spieler
Foto: Sarah Philipp

Aktuell wird in der deutschen American Football Szene viel über Spielberechtigungen internationaler Spieler diskutiert. Dies liegt hauptsächlich an der Regelung, dass innerhalb des AFVD jedes Team pro Saison maximal 10 Spieler mit einem A verpflichten darf. Davon dürfen maximal sechs A-Spieler auf dem Spieltags-Roster stehen und maximal zwei dürfen pro Spielzug gleichzeitig auf dem Feld sein.

Diese Regelung bezieht sich laut BSO / Bundesspielordnung auf US-Amerikaner, Kanadier, Japaner und Mexikaner, wenn sie in ihrer Heimat eine Collegeausbildung durchlaufen haben. Dies ist keineswegs als Diskriminierung einzelner Herkunftsländer gedacht, sondern trägt der dort deutlich besseren Sportausbildung an den Highschools / Colleges Rechnung. Im Gegensatz zum deutschen Schulsystem beginnen in den USA schon die Kleinsten, die Pee Wees, welche mit unseren Grundschülern vergleichbar sind, mit regelmäßigem Sportprogramm. Auf den nachfolgenden Highschools und Colleges haben die Schülerinnen und Schüler dann nahezu täglich ein Sportprogramm, wobei die Bildungsstätten unterschiedliche Schwerpunkte bei den Sportarten setzen. In den Highschools ist ein Schuljahr in zwei Saisons eingeteilt, in welchen dann z. Bsp. im Wettbewerb American Football und ergänzend dazu andere Sportarten wie Fußball, Basketball oder Baseball gespielt werden können. Aber auch Leichtathletik, Ringen, Schwimmen und andere Sportarten gehören zu dem Programm. Dort werden neben dem regelmäßigen Training auch ideale Trainings – und Wettkampfbedingungen, hauptberufliche Trainer und gut ausgestattete Krafträume geboten. In Deutschland findet Schulpsort – wenn er nicht ausfällt – oft nur einmal pro Woche statt, American Football wird nur vereinzelt in der Flagvariante auf Projektbasis angeboten. So bleiben dem Nachwuchs zur Ausübung des American Football Sports nur die Vereine, welche oft auch nur zwei Trainingseinheiten pro Woche anbieten können. Beim Vergleich dieser Systeme wird deutlich, dass Spieler, welche in den USA auf Highschools und Colleges ausgebildet wurden, zwangsläufig einen erheblichen Wettbewerbsvorteil besitzen. Das American Football in den USA einen sehr viel höheren Stellenwert besitzt und in vielen Gegenden als heilige Religion verstanden wird kommt noch dazu.

Bei der Anzahl der A-Spieler und der Auslegung der EU-Regelung unterscheiden sich der AFVD / American Football Verband Deutschland und die 2021 neu gegründete ELF / European League of Football. Während beim AFVD die Teams unbegrenzt EU-Spieler verpflichten können, sind diese in der ELF auf sechs Spieler pro Team begrenzt. Zu Beginn waren noch acht EU-Spieler erlaubt, für nächstes Jahr soll eine weitere Reduzierung auf dann nur noch vier EU-Spieler erfolgen. Wie sich diese Regelung mit EU-Recht vereinbart, lassen wir an dieser Stelle bewusst offen, das wäre genügend Stoff für einen weiteren Artikel. Hier wollen wir uns auf die A-Spieler konzentrieren, da sind bei der ELF vier pro Team erlaubt und zwei dürfen gleichzeitig auf dem Feld stehen.

Die Double Passport Regelung

Seit Jahren sorgt die Double Passport Regelung innerhalb des Verbandes und da besonders innerhalb der beiden höchsten Spielklassen GFL und GFL2 für Diskussionen. Denn ein Spieler, welcher das amerikanische Collegesystem durchlaufen hat, muss nicht als A gekennzeichnet werden, wenn er zusätzlich eine europäische Staatsbürgerschaft hat.

Der breiten Öffentlichkeit wurde die Regelung durch Frankfurt Universe bekannt, welche John Tidwell, der 2016 von den Denver Broncos gedraftet wurde, für die Spielzeiten 2017 und 2018 verpflichteten und aufgrund dessen hessischer Vorfahren dann ohne A spielen lassen konnten. Zuvor wurde Tidwell bei den Kirchdorf Wildcats noch als US-Importspieler angekündigt.

David Giron, der in Guatemala geboren wurde, und die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, konnte trotz Collegeausbildung in den USA ebenfalls ohne A in Deutschland bei den Rhein Neckar Bandits, Frankfurt Universe und Bad Homburg Sentinels spielen.

Ein weiteres Beispiel ist Anthony Brooks, der neben der amerikanischen noch die britische Staatsbürgerschaft besitzt. Brooks spielte seit seinem 10. Lebensjahr in den USA Football und wechselte nach seinem Collegeabschluss nach Finnland. Es folgten Stationen bei Frankfurt Universe und den Dresden Monarchs, mit denen er 2021 den German Bowl gewann.

Besonders fleißig sind die Ahnenforscher in Schwäbisch Hall in Richtung Irland und Italien. Als sie 2019 den amerikanischen Quarterback Jadrian Clark von den New Yorker Lions Braunschweig verpflichteten, wo er noch mit A auflief, entdeckten sie, dass sein Vater einen irischen Pass besaß.   So bekam auch Clark die doppelte Staatsbürgerschaft und konnte so ohne A spielen.

Bei Quarterback Reilly Hennessey, der komplett in den USA ausgebildet wurde und 2022 für die Schwäbisch Hall Unicorns spielte und diese zum Gewinn des German Bowls führte, sind es die italienischen Vorfahren seines Vaters, die ihm das A ersparten.  Hennessey spielte erstmals 2019 für die Parma Panther und erhielt dann 2021 die italienische Staatsbürgerschaft. Er selbst erklärte dazu: „Im American Football der italienischen Liga sind pro Mannschaft nur zwei Amerikaner und ein Spieler mit doppeltem Pass zugelassen.  Amerikaner sind die begehrtesten Spieler, weil sie mit dem Spiel aufgewachsen sind. Hennesseys Vater sei italienischer Abstammung, sagte Reilly, und deshalb habe er die italienische Staatsbürgerschaft annehmen können. Dies hat auch den Parma Panthers und der italienischen Nationalmannschaft einen Schub gegeben. 2021 wurden die Panthers italienischer Meister.

In dieser Saison spielen beide in der ELF, Hennessey bei Stuttgart Surge und Clark bei Rhein Fire. Und es ist nicht verwunderlich, dass ausgerechnet diese beiden Teams sich jetzt auch im Finale der Liga gegenüberstehen. Zeigt es doch den Impact, welche solche Ausnahmespieler auf ein Team haben können. Dort zählen diese Spieler aber aufgrund ihrer Collegeausbildung als A-Spieler.

Bitte nicht falsch verstehen, diese Auflistung ist keinesfalls als Vorwurf an die betreffenden Teams gerichtet. Ganz im Gegenteil, es spricht für deren Cleverness und Geschick, im Rahmen geltender Regelungen solche Vorteile zu nutzen. Es hätten ja schließlich alle Teams so machen können.

Nur ein Highschool-Abschluss ohne nachfolgendes College zählt nicht zur A-Kennzeichnung

Ab 2021 nutzen Teams innerhalb des Verbandes eine weitere Besonderheit des Regelwerkes, nach welcher Spieler, die nur die Highschool besucht haben und dann nicht auf ein College gegangen sind, nicht mit einem A gekennzeichnet werden müssen. Diese Regelung gilt bereits seit 2019, blieb aber durch Corona relativ unbeachtet. Den Anfang machten dann 2021 die Saarland Hurricanes mit den Spielers Colby Anderson und Benjamin Thompson. Beide hatten davor als Amerikaner mit einer A Kennzeichnung gespielt, ab der Saison 2021 dann nicht mehr. Und dies völlig zurecht, denn beide hatten zuvor nicht auf einem College gespielt. Anderson wechselte von den Pirmasens Praetorians zu den Hurricanes. Zuvor spielte er auf der Inola High School aber nicht auf einem College. Thompson wechselte bereits 2015 von den Kaiserslautern Pikes zu den Hurricanes, davor spielte er auf der Spring Woods High School in North Carolina. Anstelle einer möglichen Collegekarriere entschied sich Thompson für das Militär, so kam er dann nach Kaiserslautern, wo er sich schnell den Pikes anschloss. Andere Teams haben sich dann ebenfalls schnell diese Regelung zu Nutze gemacht.

Ein aktuelles Beispiel dieser Regelung ist der mit 2o Jahren noch sehr junge Logan Mobelini, der 2022 nach seiner Highschoolzeit bei den Cambridge Bobcats, Ohio, USA zu den Marburg Mercenaries in die GFL wechselte. Mit 119 Gesamt-Tackles in der Saison 2023 liegt er auf dem dritten Platz der gesamten GFL-Statistik. Mit 72 Solo-Tackles ist er sogar der zweitbeste Tackler der gesamten Liga. Es lohnt sich also, zukünftig noch stärker auf US-Spieler zu schauen, welche keinen Collegeausbildung haben und dennoch eine sehr wertvolle Verstärkung sein können.

Kommen wir nun zum einfachen X-Faktor als Lösung der Dual-Passport Regelung  

Dabei möchte ich vorausschicken, dass dieser Vorschlag meine ganz persönliche Empfehlung aus knapp 40 Jahren Erfahrung mit American Football in Deutschland ist – losgelöst von möglichen Verein – oder Verbandsinteressen. Es lohnt sicher immer wieder, auch Mal über den eigenen Tellerrand zu schauen, in diesem Fall zur European League of Football. Man muss der Liga zugutehalten, dass sie keine lästigen Dual-Passport-Diskussionen hat, da sie bereits eine Collegeausbildung bei der A-Vergabe unabhängig möglicher anderer Nationalitäten berücksichtigt.

Die geltende A-Regelung sollte auch im AFVD abgeschafft und durch eine neue einfache X-Regelung ersetzt werden. Jeder Spieler, der mindestens zwei Jahre College gespielt hat, wird mit einem X gekennzeichnet. Dabei spielt die jeweilige Nationalität keine Rolle, es zählt nur die Ausbildung und Erfahrung. Die regelmäßigen Dual–Passport Diskussionen wären damit obsolet. Und warum jetzt ab 2 Jahre? Damit soll verhindert werden, dass Spieler, welche nur für ein Jahr z. Bsp. im Rahmen eines Schüleraustausches ein College besuchen, nicht gleich unter diese neue X-Regelung fallen.

Diese neue X-Regel soll nur für den Ligabetrieb und natürlich nicht für die Nationalmannschaften gelten, da gilt wie bisher der Pass / die Pässe als Grundlage, für welches Land ein Spieler spielberechtigt ist. Über die Limits der X-Spieler sollten sich die GFL-Gremien und die Verbände neu verständigen. Ich kann mir vorstellen, dass es hierzu viele konträre Meinungen geben wird, welche maßgeblich von der unterschiedlichen, persönlichen Interessenslage geprägt sein werden und freue mich auf eine konstruktive und bitte sachliche Diskussion.