Die Franzosen kommen! Paris schickt ein Team in die ELF

Frantzy Dorlean und Patrick Esume 2010 Kiel Baltic Hurricanes
Frantzy Dorlean und Patrick Esume 2010 Kiel Baltic Hurricanes
Foto: imago, Schüler

Am Rande des European Bowl in Klagenfurt, dass die Vienna Vikings gegen die Hamburg Sea Devils klar für sich entscheiden konnten (27:15), ließen die beiden starken Männer der ELF, Commissioner Patrick Esume und CEO Zeljko Karajica die Katze aus dem Sack und gaben bekannt, dass die ELF in der kommenden Saison nicht mit sechzehn Teams, und damit vier Neulingen, an den Start gehen wird, sondern mit zwei weiteren Liganeulingen. Neben Prag, der Heimat der Prague Lions, stellten Esume und Karajica auch Paris als neuen Standort vor.

Ein Start mit vielen Fragezeichen
Dass der Expansionsdrang der ELF so stark ist, mag verwundern. Das Risiko, die Liga von zwölf auf sechzehn Teams aufzustocken, war schon groß. Und jetzt noch zwei weitere Teilnehmer? Natürlich ist es das Ziel von Esume, eine wirkliche europäische Liga aufzubauen. Mit den Standorten Paris und Prag ist er dieser Vision nun ein weiteres Stück näher gekommen, die ELF hat Teams aus zehn Ländern. Trotzdem bleiben, gerade im Fall der französischen Hauptstadt, mehr Fragen offen als beantwortet wurden.

Ein Team noch ohne Namen

Paris schickt also ein Team ins Rennen, das bisher noch keinen Namen und kein Logo hat. Im Prinzip wäre das auch nicht so dramatisch. Allerdings spielt American Football in Frankreich (noch) nicht so eine große Rolle, dass man die Präsentation des Namens und des Logos als genialen Marketinggedanken zur Steigerung der Spannung ansehen könnte. Vielmehr geht viel wertvolle Zeit verloren, um diese neue Marke wirkungsvoll am Markt zu platzieren. Denn ähnlich wie in London, Prag. München oder Istanbul ist das Angebot an Spitzenniveau in zuschauerträchtigen Sportarten überreichlich. Neben dem omnipräsenten Fußball und dem in Frankreich sehr beliebten Basketball buhlen auch der ebenfalls populäre Handball und auch Tennis um die Gunst der Zuschauer. Und alle diese konkurrierenden Sportarten sind in Paris bereits etabliert und haben marketingtechnisch ihre Duftmarken gesetzt.

Die Macher des Footballteams müssen sich also Gedanken machen, wie sie aus der Nische heraus in die öffentliche Wahrnehmung rücken wollen.

Als „Paris Football Team“ werden sie jedenfalls nicht an den Start gehen, so viel steht fest. Als Favoriten für einen Namen werden Paris Musketeers oder Paris Gargoyles gehandelt.

Der Cheftrainer

Als Headcoach konnten die Pariser einen echten Kracher verpflichten. Marc Mattioli, „American Football International Coach of The Year 2021“ in Parma, wechselt von ELF-Konkurrent Leipzig in an die Seine. Die Vereinsverantwortlichen erhoffen sich dadurch eine Steigerung der Attraktivität der neuen Franchise.

Welche Coaches Mattioli unterstützen werden, gehört aber noch zu den großen Fragezeichen. Der 35 Jahre alte Coach aus den USA freut sich nach eigenen Worten auf das Projekt und die Arbeit mit dem Pool an großen französischen Talenten, denen er jetzt die Chance geben kann, in ihrem Heimatland zu bleiben und doch in einer großen Liga zu spielen, um vielleicht den Sprung über den großen Teich in die NFL zu schaffen.

Mattioli galt als einer der begehrtesten Trainer in der Welt des American Football, zumindest in Europa. Dass er sich für das Team aus Paris entschieden hat, darf als erster Erfolg auf dem Transfermarkt gewertet werden und ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass in Paris bereits mehr im Verborgenen entstanden ist, als uns als Außenstehenden bewusst sein mag.

Die Macher der Pariser ELF Franchise

Marc Angelo Soumah ist im American Fotoball der Grande Nation eine Legende. Er war der erste in Frankreich ausgebildete Spieler, der es in die NFL geschafft hat, war nach seiner aktiven Karriere für einige Zeit Präsident des nationalen Verbandes. Als General Manager des Teams will er eng mit dem Verband und anderen Vereinen zusammenarbeiten, um die neue Franchise schnell zu einer etablierten Institution in der Stadt der Liebe und dem ganzen Land zu machen. Man kann seine geäußerten Visionen so deuten, dass er das Paris Football Team als eine Art Leistungszentrum für den American Football in Frankreich aufbauen möchte. Aber vielleicht verfolgt er auch andere Pläne; wie so oft bleiben auch hier viele Fragezeichen hinter dem Projekt.

Vereinspräsident Frantzy Dorlean hat mit Patrick Butler, dem Ex-Profi Jason Johnson und dem Publizisten John McKeon ein Team um sich herum aufgebaut, das die Vernetzungen und die Fähigkeiten hat, um aus dem neuen Team schnell eine Erfolgsgeschichte werden zu lassen. Einzig ein echter Finanzfachmann scheint den Parisern noch zu fehlen, und das könnte sich bald als riesiges Problem und Hemmschuh darstellen.

Mit John McKeon ist aber immerhin ein sehr erfolgreicher Unternehmer mit von der Partie. Durch seine Erfahrungen als Geschäftsmann kann er eventuell Sponsoren von der Zukunftsfähigkeit eines professionellen Footballteams in Paris überzeugen und so viele Gelder aquirieren. Nicht umsonst hat der ehemalige Profi sein Unternehmen mit Themen rund um den Sport aufgebaut, unter anderem ist er Gründer von American Football International (AFI).

Für die sportliche Kompetenz ist jedenfalls gesorgt. Neben Soumah kann auch Jason Johnson auf eine erfolgreiche NFL-Karriere als Wide Receiver zurückblicken. Frantzy Dorlean war ebenfalls Profi und hat unter Patrick Esume bei den Kiel Baltic Hurricanes gespielt. Und auch ohne die ganz große Profikarriere hat Patrick Butler sich im Football bestens vernetzt und gilt als hervorragender Talentscout.

Die Spieler

Das Roster der Pariser wirkt noch etwas mager. Oder, um es klar zu sagen: Spieler sind bis heute nicht verpflichtet worden. Als Licht am Ende des Tunnels werden die Tryouts erwartet, die für November oder Dezember angekündigt sind.

Und dieses etwas vage anmutende Zeitmanagement passt zum gesamten Team, das sich bisher wenig mit wirklich greifbaren Ergebnissen profilieren konnte. Mattioli ist bisher das einzige Mitglied im Trainerstab. Hier muss dringend nachgebessert werden, damit die Gargoyles, Musceteers oder wie auch immer sie heißen werden eine nicht völlig trostlose Premierensaison in der ELF erleben müssen.

Das Stadion

Hier gibt es bisher nicht einmal heiße Gerüchte. Die Sportstadt Paris dürfte aber ein angemessen großes Stadion finden, auch wenn es nicht gerade das Stade de France in St. Denis oder der Prinzenpark sein werden.

Die sportlichen Aussichten

Das ist das größte der vielen Fragezeichen in Paris. Wenn in den Tryouts gute und talentierte Spieler gescoutet und verpflichtet werden; wenn die Strahlkraft von Marc Mattioli dafür sorgt, dass gestandene Profis als Führungsspieler an die Seine geholt werden können; wenn Mattioli ein gutes Trainerteam an die Seite gestellt wird und das Director’s Board für die dafür zwingend notwendige finanzielle Potenz sorgen kann. dann werden die Pariser sicherlich einige der bereits etablierten Teams ärgern können.

Es bleibt zu hoffen, dass der Einstieg in die ELF mehr Substanz zu bieten hat als nur die Verbundenheit von Patrick Esume zum American Football in der Grande Nation, deren Nationalmannschaft er vor einigen Jahren einmal trainiert hat. Wir sind jedenfalls gespannt, und sicher freuen sich schon zahlreiche Spieler der verschiedenen ELF-Teams auf einen Trip in die französische Hauptstadt.