Beitragsautor: Jörg Kochs

Warum wir keine Draft-Analysen machen

Brock Purdy, San Francisco 49ers
Brock Purdy, San Francisco 49ers
Foto: imago

Wieso NFL Draft Analysen so oft daneben liegen

Heute haben wir mal wieder einen Kommentar von mir, ich werde also heute wieder zu einem aktuellen Thema Stellung beziehen. In knapp zweieinhalb Wochen steht der NFL Draft an. Und sehr viele Experten und Seiten veröffentlichen vor und nach dem Draft jedes Jahr aufwendige Analysen. Ich möchte euch heute erklären, warum ich das nicht tun werde.

Bevor ich anfange, möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommentare meine persönliche Meinung sind, das ist nicht unbedingt die Meinung, die auch amfoo.de vertritt. Warum mache ich also keine Analyse zu einem NFL Draft? Ganz einfach, weil ich finde, dass man das nicht analysieren kann. Wir sehen jedes Jahr, das Spieler, die sehr gehypt werden, es nicht schaffen und andere, bei denen es weniger Hype gab, es dann schaffen.

Es ist eben etwas komplett anderes, ob du im College spielst oder in der NFL. Gerade bei Quarterbacks sehen wir eigentlich sehr häufig, das besonders die Quarterbacks, die besonders gehypt wurden, es nicht in der Liga schaffen oder zumindest hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Machen wir mal ein paar Beispiele:

Sam Darnold: 2018 als Nummer 3 gepickt. Er scheiterte sowohl bei den Jets, als auch bei den Carolina Panthers, sowie den San Francisco 49ers und ist jetzt bei den Minnesota Vikings. Seine bisherige NFL Statistik sind 63 Touchdowns zu 56 Interceptions. Zu wenig.

Trey Lance: 2021 als Nummer 3 gepickt und gescheitert bei den San Francisco 49ers. Aktuell lediglich der Ersatz von Dak Prescott bei den Cowboys.

Zach Wilson:  2021 als Nummer zwei geholt und bei den Jets gescheitert. Seine Bilanz 23 Touchdowns bei 25 Interceptions. Sein Rating liegt bei 73,2, so hart es klingt: Bust!

Und auch ein Trevor Lawrence ist weit unter dem geblieben, was man vorher sich von ihm versprochen hatte. Er ist kein völliger Bust, aber eben auch nicht das gelbe von Ei.

Warum so viele tolle College Spieler in der NFL scheitern? Ich denke, dass das mit mehreren Faktoren zu tun hat, da wäre zum einen der Druck. Gerade als Quarterback hast du sofort Druck. Eine ganze Stadt erwartet von dir, dass du dein Team nach vorne bringst. Das kann belastend sein. Und wenn du im College richtig gut warst, wirst du ja auch sehr früh gezogen und das heißt, du wirst von einem eher schlechten Team gezogen. Dann erstmal ein schlechtes Team innerhalb kurzer Zeit nach vorne zu bringen, ist verdammt schwierig. Ich glaube z.B. ein Bryce Young hätte letztes Jahr besser ausgesehen, wenn er nicht bei den Panthers hätte spielen müssen. Andersherum wäre wohl auch C.J. Stroud nicht so durch die Decke gegangen, wenn Carolina ihn als Nummer 1 ausgesucht hätte.

NFL Draft Caps 2024
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Und wer hat in der NFL funktioniert? Brock Purdy! 2022 als Nummer 262 und damit Mr. Irrelevant ausgewählt, inzwischen ein Megastar in San Francisco.

Und das ist vielleicht auch die entscheidende Geschichte. Damit ein junger Spieler Erfolg hat, muss er einfach auch eine Portion Glück haben. Purdy ist ein super Beispiel dafür. Ich glaube, wenn man in San Francisco ganz ehrlich ist, würde man zugeben, dass er eigentlich nie als Starting Quarterback geplant war. Die 49ers hatten damals den so hoch gelobten Trey Lance und Jimmy Garoppolo. Purdy überhaupt auszuwählen, war wahrscheinlich nicht mal von Anfang an geplant, sondern einfach eher so die Situation ach wir sind jetzt ganz zum Schluss noch mal dran, wen gibt es denn dann noch, ja dann nehmen wir halt den. Im Notfall können wir ihn ja dann Cutten.

Aber: Purdy hatte Glück. Lance und Garoppolo verletzten sich. Und so bekam er seine Chance. Die hat er dann auch phänomenal genutzt, aber hätten die beiden sich nicht verletzt wäre er wahrscheinlich nie zum Einsatz gekommen und würde jetzt maximal durch die Practice Squads der Liga tingeln.

Ganz ähnlich ist ja auch die Geschichte von Tom Brady. Brady ist damals als 199 ausgewählt worden und stand ganz klar im Schatten von Drew Bledsoe. Es gab überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Bledsoe spielen würde. Dann verletzt er sich und plötzlich spielt Brady überragend und der Rest ist Geschichte. Und weil man eben genau solche Sachen nicht voraussagen kann, machen für mich solche Analysen keinen Sinn. Niemand kann sagen, ob ein Spieler es in der NFL schafft oder nicht. Was zu dem für Spieler wichtig ist:  Du brauchst ein Team, dass die richtige Idee mit dir hat. Hier können wir mal zu den Cowboys gucken. 2022 suchten die Texaner an Nummer 167 CB Daron Bland aus. Niemand, der im College ist irgendwie überragend gewesen wäre, eher ein Durchschnittsspieler. Doch Dan Quinn weiß genau, wie er Bland einsetzen muss. Und inzwischen hat der Junge nach zwei Jahren schon 14 Interceptions und stellte in der vergangenen Saison einen neuen NFL Rekord auf. Als erster Spieler schaffte es Bland, in einer Saison 5 Big Six zu liefern. Man zeige mir bitte die Draftanalyse, wo ihm eine solche Entwicklung prophezeit wurde.

Der Draft ist und bleibt ein Stück weit Lotterie. Sowohl für die Teams, als auch für die Spieler. Ich weiß gar nicht, ob Caleb Williams so scharf darauf ist, von den Chicago Bears als Nummer eins gezogen zu werden. Denn Chicago hat es, in den letzten Jahrzehnten muss man ja eigentlich sagen, nicht geschafft, einen Quarterback zu entwickeln. Auch da war der Hype um Mitch Trubisky (den die Chicago Bears allen Ernstes über Patrick Mahomes genommen haben) und Justin Fields riesig. Beide scheiterten in Chicago.

Also von daher, meiner Meinung nach kann man einen Draft erst nach einem Jahr analysieren. Und selbst dann gibt es noch Unwägbarkeiten, wenn ich jetzt nach einem Jahr über Mac Jones gesprochen hätte, hätte ich gesagt hey super toll die Patriots haben den neuen Tom Brady gefunden. Jetzt nach drei Jahren muss ich ganz klar sagen, er war leider ein Bust.